Erstellt am 04/07/2023 von
Dass Streetart in Gent blüht, ist Generationen von Künstlern zu verdanken, die radikal ihr Ding machten, oft in leeren Gebäuden. Heute ist auch das legale Graffitiprogramm in Gent sehr lebendig und ermöglicht es jeder Art von Künstler, seine Chance zu ergreifen.

Einführung in das Genter Graffiti

Es war eher Zufall, dass ich 2013 Teil der Genter Graffiti-Szene wurde. Während meiner Schulzeit waren die Ränder meiner Hefte immer vollgezeichnet, und ich hatte einen Teilzeitkurs in Animationszeichnen belegt. Als ich anfing, Buchstaben zu zeichnen, dachte ich: „Das könnte Graffiti sein“. Und so hat das Ganze angefangen. Als neuer Graffitikünstler hatte ich das Gefühl, in einem Vakuum zu arbeiten. Ich kam nach einer Generation, die bereits in Ateliers und Ausstellungen tätig war, während andere noch beispielsweise Züge bemalten. 

Wände finden

Ich war noch nicht wirklich mit meiner Arbeit zufrieden, sodass sich das Risiko, illegal zu malen, für mich noch nicht lohnte. Glücklicherweise gab es in Gent bereits einige legale Graffiti-Zonen, in denen ich üben konnte. Um Künstler zu unterstützen, die die gleiche Philosophie teilen, habe ich 2015 Wallin’ vzw gegründet. Unsere Tätigkeiten sind vielfältig: Wir schaffen legale Zonen und organisieren Graffiti-Jams, stellen Künstlern Wände zur Verfügung, finanzieren Projekte, veranstalten Graffiti-Spaziergänge und -Workshops und betreuen Auftragsarbeiten.  

Geschichten malen

Die Streetart-Szene in Gent ist wirklich lebendig, so viel ist sicher. Aber was ist eigentlich typisch für die Szene? Sie ist ein Schmelztiegel: Künstler aus Gent, aber auch aus größeren Städten wie Brüssel und Antwerpen sind hier sehr aktiv. Mir fällt auf, dass in Gent der figurative Stil stark vertreten ist, was eine bessere Zusammenarbeit ermöglichen könnte. In diesem Stil kann man wirklich Geschichten malen. In einigen größeren Städten sieht man Graffitikünstler, die überall ihre Namen an die Wände sprayen. Das sind eher individuelle Werke.  

Streetart-Tourismus 

Ein Großteil der Streetart in Gent ist auf eine Kultur des Leerstands zurückzuführen: Gebäude aus verschwundenen Industrien wurden von der Streetart eingenommen. Die Stadt entwickelt sich nun enorm weiter, wodurch einige der Orte, an denen sich die Kreativität entfalten konnte, wegfallen. Zum Glück finden einige Künstler den Weg zu dauerhaften Wänden in den Straßen, und es entstehen auch neue legale Zonen. Corridor in Gentbrugge beispielsweise entwickelte sich sofort zu einem neuen Anziehungspunkt. Hinzu kommt der aufkommende Streetart-Tourismus, der unserer Szene die Aufmerksamkeit gibt, die sie verdient.  

Streetart als Katalysator

Meine beliebteste Streetart-Zone in Gent? Diese befindet sich im Viertel Nieuw Gent. Mit dem Goldmine-Projekt schuf Wallin’ einen neuen Künstlerhotspot. Große Wandgemälde von lokalen und internationalen Künstlern schmücken das Sozialwohnungsviertel. Sie zeigen, wie Streetart ein Viertel vollständig verändern kann, indem sie das Wohnumfeld aufwertet. Und dank des Projekts wird Nieuw Gent zu einer neuen Attraktion, während das Viertel auch für die Genter selbst lange Zeit unbekannt war. Die Tatsache, dass unsere Arbeit die Menschen dazu ermutigt, ihre Stadt neu zu entdecken und die Routine zu durchbrechen, ist schön. 

Fahrt auf der R4-Ringstraße

In der historischen Stadtmitte lohnt sich ein Besuch des Viertels um Ham wirklich. Dort fand erstmals das ‘Sorry, not Sorry’-Festival statt, welcher Streetart gewidmet ist. Das Hafenviertel mit seiner Mischung zwischen spontan geschaffenen Werken und für das Festival geschaffenen Werken ist und bleibt eine tolle Attraktion. Möchten Sie Werke der neuen Generation entdecken? Fahren Sie dann auf der R4-Ringstraße um Gent. Vor allem in der Umgebung um Zwijnaarde kann man die Arbeit und den Tatendrang von rohen Talenten sehen.  

Genter Künstler

Gent kann auf einige beeindruckende Streetart-Künstler stolz sein. Der bekannteste ist zweifellos ROA. Er wurde von der Genter Leerstandkultur geprägt, begann zu reisen und sich international einen Namen zu machen, kam zurück nach Gent und ist heute aktueller denn je. Sein Werk für das Van Eyck-Jahr, seine Kunst für das GUM – das Genter Universitätsmuseum… Ein persönlicher Favorit ist Resto, ein Künstler, den schon seit Jahren aktiv ist und der immer lokal geblieben ist. Er hat mit seinem Werk ein ganz persönliches illustratives Universum geschaffen. Schön, wie er auf seinen eigenen Stil achtet. Und zwei zeitgenössische, sehr aktive Künstler, die ich gerne verfolge, sind Kiuw und Arrf the Wolf.  

ROA bei der Arbeit an Oude Houtlei in Gent

Sehr viel zu entdecken also! Wallin’ vzw veranstaltet selbst interessante Streetart-Spaziergänge und -Workshops für Personen, die es gerne selbst mal versuchen möchten. Kein Vorwissen erforderlich! 

Rick Moly­neux

Rick Molyneux sprühte 2013 seine ersten Kanister als Graffitikünstler leer und gründete 2015 mit  Wallin’ vzw eine Organisation, die Streetart-Künstlern Chancen bietet: Er bringt Künstler mit Wänden und Kunden zusammen, finanziert Projekte und organisiert Graffiti-Jams und Workshops. So machen Rick und seine Gefährten die Welt buchstäblich ein bisschen schöner. 

 

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